
Raus aus der Komfortzone
Zwei-Tages-Wanderung von Kufstein nach Walchsee – Tag 2
Der zweite Tag meiner Zwei-Tages-Wanderung ist angebrochen – um halb sieben ist Tagwache im Zimmer. Ich bin erstaunlich ausgeschlafen und das Beste fällt mir gleich nach den ersten Schritten auf: Ich habe keinen Muskelkater vom ersten Tag. So starte ich entspannt mit einem gemütlichen Frühstück in den Sonntag. Ich bin eine der Ersten, die aufbricht. Die Sonne steht noch tief, als ich vom Stripsenjochhaus losgehe und ich bin ganz allein am Weg.
Rauf und runter
Von Gratwegen, Gipfeln und Gedanken
Mein erstes Etappenziel ist der Feldberg. Mit 1.813 Metern der höchste Punkt meiner Tour. Es geht zunächst entlang eines Grats, durch eine stille, eindrucksvolle Berglandschaft. Links und rechts geht es zeitweise ziemlich steil bergab. Und dann der Gipfel des Feldbergs mit einem atemberaubenden Panorama. Zum ersten Mal sehe ich auch mein zweites Ziel: Den Heuberg – er liegt noch in weiter Ferne. Und der Stripsenjochkopf liegt schon weit hinter mir.

Dieser Blick nach hinten – auf das, was ich geschafft habe – und der Blick nach vorne – auf mein Ziel begleitet mich an diesem Tag sehr lange, nachdem ich von der einen Bergkette runter – und auf die nächste raufgehe. Irgendwie wie im echten Leben. Ich denke viel nach, ordne meine Gedanken und ziehe Parallelen. Es tut gut, immer wieder nach hinten zu blicken – mit Stolz, auf das, was man bereits erreicht hat. Genauso gut tut es, sich sein Ziel vor Augen zu führen, sich zu fokussieren. Und nicht zu viel links und rechts zu schauen, sich nicht ablenken lassen von den “Gefahren”, die lauern. Sondern sich auf das zu konzentrieren, was man erreichen will und auf sich selbst.
Unwegsames Gelände
Orientierung und Vertrauen

In der Senke zwischen den beiden Bergketten – der Feldberg liegt hinter mir, der Heuberg vor mir, mache ich eine Pause und esse meine Jause. Ich genieße die Sonnenstrahlen und tanke Energie. Eine gute Entscheidung, denn der Weg zum Heuberg ist zum Teil auf unwegsamen Gelände – mit vielen Geröllfeldern. Während ich noch fasziniert bin, dass man trotzdem den Weg erkennt, bin ich genau von diesem plötzlich abgekommen. Ich schaue nach vorne, hinten, oben und unten – der Weg ist nicht sichtbar. Intuitiv beschließe ich nach vorne und nach oben zu gehen und finde so den Weg zurück. Der Umweg war anstrengend, aber machbar. Und ich bin um eine weitere Erkenntnis reicher: Auch wenn man einmal vom Weg abkommt – man findet wieder zurück. Man braucht nur Ruhe, Geduld und ein bisschen Vertrauen. Übrigens: Der Umweg war überhaupt nicht gefährlich – sollte sich gerade wer Sorgen gemacht haben.

Sobald man auf den Wanderweg abbiegt, geht es gleich mal viele Stufen stetig bergauf. Ich finde schnell mein Tempo und überhole viele Wanderer und werde überholt. Der erste Abschnitt scheint sehr beliebt zu sein, da er der Ausgangspunkt für viele Wanderungen ist und auch viele Hütten liegen gemütlich erreichbar auf dem Weg. Langsam werden es weniger Menschen und das wunderschöne Kaiserbachtal öffnet sich majestätisch.
Zwischenziel: Heuberg
Gipfelglück und Hüttenrast
Auch der Blick vom Heuberg ist wieder überwältigend: Vor allem die Aussicht auf den türkisblauen Walchsee – mein Endziel – lässt mein Herz höher schlagen. Weniger toll sind die vielen Fliegen, die den Ausblick anscheinend für sich haben wollen. 100:1 – Sie gewinnen und ich flüchte ziemlich schnell. So schnell, dass ich ganz vergesse, ein Gipfelkreuz-Selfie zu machen. Naja, was soll’s. Ich freue mich jetzt schon auf die Hütte und ein warmes Essen.
Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Auf der nächsten Hütte gibt es leider nichts zu essen. Die Hageralm ist eine schöne und urige Hütte, aber nur mit Getränke-Selbstbedienung. Ich nehme mir eine gut gekühlte Limo und ziehe meine Schuhe aus und überlege, wie die Tour weitergeht: Ich bin schon knapp 6 Stunden unterwegs und laut Bergfex würde die restliche Tour noch 2:30 Stunden dauern. So hatte ich das nicht kalkuliert – ich habe insgesamt mit 7 Stunden gerechnet.
Alles richtig gemacht!
Poncho statt Panorama
Während ich noch überlege, ob ich direkt oder wie geplant gehen soll, fängt es an zu schütten. Es regnet in Strömen. So fällt mir die Entscheidung leicht: So schnell wie möglich ins Tal. Mit einem Grinsen packe ich meinen Regenponcho aus und mache mich auf. Der restliche Abstieg ist nass, aber lustig – durch Wälder, an Kühen vorbei und auf weichen Wiesenwegen. Und mit einer letzten Erkenntnis: Der Weg ist das Ziel – Pläne dürfen flexibel sein. Ziele darf man ändern. Das hat nichts mit Aufgeben, sondern mit Achtsamkeit zu tun.
Mein Fazit
Jederzeit wieder!
2 Tage, 37,4 Kilometer, 2.234 Höhenmeter bergauf, 55.268 Schritte und rund 13 Stunden reine Gehzeit – plus viele Pausen, viele Gedanken, viele schöne Momente. Für mich war diese Tour ein kleines Abenteuer und perfekt für mein erstes Mal. Für alle, die die Tour nachgehen wollen, noch die perfekte Packliste:
- Regenponcho
- Jacke & langer Pullover
- Leggings & Hüttensocken
- Hüttenschuhe (für draußen)
- Zahnbürste, -paste & Duschgel
- Bargeld (für Hütten)
- Sonnencreme, Kopftuch, Kappe & Sonnenbrille
- 3 Liter Wasser pro Tag
- Snacks & Jause
- Erste Hilfe Pack
- Wanderkleidung (Shirt, Hose, Wanderschuhe, Wandersocken)
Ach ja: Die Übernachtung im Stripsenjochhaus unbedingt vorab reservieren. Mehr über die Tour findet ihr unten in der Routenbeschreibung. Ich wünsche euch auf der Tour viel Freude beim Wandern, Staunen und Nachdenken!
Impressionen zum Mitfühlen
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Caroline Fellinger, 41. Ist sie beruflich als Geschäftsführerin einer Kreativagentur viel in der virtuellen Welt unterwegs, genießt sie in ihrer Freizeit lieber die Natur – gleich, ob Berge, Flüsse, Seen und Wälder – Hauptsache, draußen. Beim Wandern, schwimmen, Kajak und Kanufahren im Sommer, Snowboarden und Skifahren im Winter ist sie immer auf der Suche nach Neuem.