Zauber der Lüfte
Dem Alltag entfliehen in der Flugschule Kössen
Strahlend blauer Himmel, umgarnt von sanftem Sonnenschein des beginnenden Spätsommers: Ich genieße die sattgrünen Wiesen und blühenden Streuobstbäume, bin eins mit der Natur. Das Areal der Flugschule ist herrlich. Noch ist es ruhig. Ich schaue hinauf auf den Berg. Von dort starten Stefan und Anja zum Tandemflug. Leo, der Inhaber der Flugschule Kössen und sein Kollege Christoph, dirigieren das junge Ehepaar sanft durch Lüfte.
Manchmal scheint es, als würden die Vier direkt in die Sonne fliegen und in ihr verschwinden. Doch dann schweben sie sanft gegen Tal. Die riesigen Schirme blasen sich auf und bald schon landen die Flugnovizen sanft auf dem Gras. Das Paar hat das Hochzeitsgeschenk sichtbar genossen.
Eine Nervosität, die sich schnell auflöst

Die beiden strahlen über das ganze Gesicht: „Es war wunderbar. Ich würde am liebsten sofort wieder starten.“ Stefan ist euphorisiert, erzählt aber auch, dass er vorher schon irgendwie nervös war. Anja beschreibt, dass sie Wochen davor unruhig war, aber dann folgte die Überraschung: „Es war interessant. Sobald es auf den Berg hinaufging, war alles verflogen. Leo und sein Kollege machen das mit einer wunderbaren Ruhe.“
Ich selbst bin bis jetzt nicht geflogen, habe aber oben auf dem Berg die Gleitschirmflieger abheben sehen. Es sieht lustig aus, wenn sie gefühlt über den Köpfen der gemütlich grasenden Kühe schweben. „Viele sind am Anfang nervös, aber sobald sie die Schwerelosigkeit spüren, ist es dann purer Genuss“, erzählt Leo Dagn, der neue und junge Chef der Flugschule Kössen.
Der Urtiroler hat das Unternehmen von seinem Vorgänger und Gründer Sepp Himberger übernommen, der 49 Jahre lang den Menschen das Fliegen lehrte. „Ich wollte einfach, dass die Flugschule in einheimischen Händen bleibt“, unterstreicht der Familienvater.
Ein Kind der Berge
Leo ist ein Kind der Berge. Sein Großvater baute in den 60er-Jahren den ersten Kössener Lift. Sein Großonkel hat ihm die Liebe zum Spiel in luftigen Höhen vermittelt: „Seit 21 Jahren bin ich mit dem Herzen dabei. Du lernst nie aus.“ Über 1000 Tandemflüge hat Leo bisher in Szene gesetzt. „Vom Dreijährigen bis zum 96-Jährigen habe ich schon alle mitgenommen. Es gibt keine Grenzen. Auch Rollstuhlfahrer fliegen begeistert“, erzählt Leo mit einem breiten Grinsen.
Es kann schon recht hoch hinausgehen, wie er unterstreicht. Das hängt nicht nur vom Aufwind ab, sondern auch von den verschiedenen Lufträumen. Rund um Kufstein geht’s bis 3.300 Meter hinauf. Die Region um die Steinplatte schenkt den Genussfliegern sogar satte 3.800 Meter über der Natur. „Du fühlst dich wirklich erhaben, wenn du fliegst und von oben auf die Natur schaust“, berichtet Anja.
Erst schnuppern, dann selbst steuern

Wer selbst in die Luft gehen will, der kann sich bei der Flugschule anmelden. Es gibt selbstverständlich theoretisches und praktisches Wissen, das vermittelt wird. Am Anfang können die Flugschüler verschiedene Materialien testen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, was für sie am besten geeignet ist. Dann geht’s auf die abschüssige Übungswiese, um die Starts zu üben. Relativ bald darf der geneigte Paraglider dann selbst abheben.
Leo sitzt gerade unten, mit einem Funkgerät in der Hand. Über ihm schwebt ein Schüler, der schon recht gut unterwegs ist. „Heute lernt er ein paar Manöver“, hebt Leo hervor. Über unseren Köpfen sieht man Piloten, die verschiedene Kurven und auch „Kreisel“ fliegen. Es ist interessant, zuzuschauen.
Allen geht das Herz auf
Ich bewundere die sanften Landungen und lerne, dass die Fläche des Schirms hoch oben auch verkleinert werden kann, wenn es schneller nach unten gehen soll. Schließlich wird der Flieger eins mit der Natur. Deren launische Kräfte machen nicht immer das, was wir meinen. Manfred aus München packt gerade seinen Schirm zusammen: „Wenn das Wetter so herrlich ist und es gute Thermik gibt, gibt’s wirklich nichts Besseres. Vor allem, wenn du über den Gipfeln schwebst.“
Für Diejenigen, die jetzt Lust bekommen haben, selbst zum Überflieger zu werden, hat er folgenden Rat: „Aufpassen. Langsam anfangen und vor allem dann genießen.“ Isabell aus Kufstein, eine gebürtige Schwäbin und Florian aus dem nahen Bayern strahlen auch übers ganze Gesicht. Florian findet: „Es ist dieses Freiheitsgefühl und das Spielerische, was mich so fasziniert.“ Mehr gibt’s dazu wohl nicht mehr zu sagen.

Weitere Aktivitäten in unseren Bergen

Uli Kaiser, 51, freier Journalist für Sport, Wirtschaft und Kultur, hat in seinem Leben zahlreiche Leistungssportler hautnah begleitet. Er genießt das Leben in der Natur und saugt jede kleine Nuance auf. Schwimmen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking gehören zu seinen sportlichen Betätigungsfeldern. Ansonsten macht er sein Hobby zum Beruf. Er genießt Regionen zu entdecken und zu beschreiben, wie Menschen leben und welche Gedanken sie haben.