
Tiroler Traditionen in der
Fastenzeit
Heute, am Aschermittwoch, beginnt die 40-tägige Fastenzeit. Traditionell wird diese Zeit der Besinnung, des Verzichts und der inneren Einkehr als Vorbereitung auf das Osterfest gesehen und endet mit dem Karsamstag. Neben dem Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßigkeiten werden bei uns im Kaiserwinkl und in ganz Tirol während der Fastenzeit aber auch noch eine Vielzahl anderer spannender Bräuche gepflegt.
1. Fastensuppe

Der Aschermittwoch gilt in der katholischen Kirche als „strenger“ Fasttag. Zur Einstimmung auf die bevorstehende Fastenzeit wird eine Fastensuppe zubereitet. Die Tradition geht auf den christlichen Verzichtsgedanken zurück, wonach die Gläubigen in der Fastenzeit einfache Speisen zu sich nehmen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Besonders beliebt sind Suppen aus Gemüse, Linsen oder Gerste. In vielen Kirchengemeinden werden Fastensuppenessen veranstaltet, bei denen Spenden für wohltätige Zwecke gesammelt werden. Dieser Brauch verbindet den Gedanken des Verzichts mit sozialem Engagement.
2. Palmessel-Prozessionen
In manchen Tiroler Gemeinden findet am Palmsonntag eine Palmesel-Prozession statt. Dabei wird eine hölzerne Jesusfigur auf einem Esel durch den Ort getragen, um den biblischen Einzug Jesu in Jerusalem nachzustellen. Früher war es oft üblich, dass sich Kinder oder junge Bauern als lebende Palmesel verkleideten oder auf einem echten Esel ritten. Die Prozessionen sind begleitet von Palmbuschen- und Palmlattenträgern, Ministranten und kirchlichen Gesängen. Vor allem in ländlichen Regionen wie dem Zillertal oder dem Stubaital ist dieser Brauch noch lebendig.
3. Palmbuschen binden

Am Palmsonntag ziehen viele Tiroler mit kunstvoll gebundenen Palmbuschen oder Palmlatten in die Kirche, um sie segnen zu lassen. Ein Palmbuschen besteht traditionell aus Haselnuss- oder Weidenzweigen, die mit Buchsbaum, Eibe oder Stechpalme umwickelt und oft mit bunten Bändern oder Brezen geschmückt werden. Bei den Palmlatten dient eine lange hölzerne Stange als Basis – je länger, desto besser. Traditionell durften diese Latten auch nur von Jungen getragen werden.
Die Palmbuschen symbolisieren die Palmwedel, mit denen Jesus beim Einzug in Jerusalem begrüßt wurde. Nach der Weihe werden sie oft im Haus oder auf dem Feld aufgestellt, um Segen und Schutz für Haus und Hof zu bringen. Besonders in Osttirol wird dieser Brauch aufwendig zelebriert, und es gibt sogar Wettbewerbe für die schönsten Palmbuschen- und latten.
4. Scheibenschlagen
Am ersten Sonntag der Fastenzeit wird in einigen Gemeinden Tirols und Südtirols der alte Brauch des Scheibenschlagens gefeiert. Dabei werden kleine Holzscheiben in einem Feuer zum Glühen gebracht, auf lange Haselnussruten gesteckt und mit einem kräftigen Schwung, oft über eine Rampe, den Berghang hinunter ins Tal geschleudert. Dies soll böse Geister vertreiben und Glück sowie eine reiche Ernte für das kommende Jahr bringen. Ursprünglich war das Scheibenschlagen ein Fruchtbarkeitsritual, mit dem symbolisch der Winter vertrieben und der Frühling willkommen geheißen wurde. In vielen Gemeinden wird der Brauch noch heute von geselligen Festen begleitet, bei denen sich Familien und Freunde um das Feuer versammeln. Mancherorts gibt es sogar Wettkämpfe, bei denen es darauf ankommt, die glühende Holzscheibe möglichst weit ins Tal zu schleudern.
5. Fastentücher
Ein alter kirchlicher Brauch ist das Aufhängen von Fastentüchern in den Kirchen während der gesamten Fastenzeit. Diese großen, oft kunstvoll bestickten oder bemalten Tücher verhüllen den Hochaltar oder andere heilige Bildnisse. Damit soll der Blick auf das Wesentliche gelenkt und Ablenkung vermieden werden. Die Tradition des Fastentuches geht auf das Mittelalter zurück, als die Gläubigen durch dieses visuelle Fasten zur geistigen Einkehr angeregt werden sollten. In Tirol gibt es noch zahlreiche Kirchen, in denen dieser Brauch gepflegt wird, etwa in Zirl oder in der Wiltener Basilika in Innsbruck. Einige dieser Fastentücher sind über 500 Jahre alt und gelten als wertvolle Kunstwerke.
6. Kreuzwegandacht

Ein Kreuzweg besteht in der Regel aus 14 Stationen, die den Leidensweg Christi bildlich darstellen. Während der gesamten Fastenzeit, vor allem aber in der Karwoche, werden in Tirol Kreuzwegandachten abgehalten. Dabei gehen die Gläubigen den Kreuzweg entlang und halten an den Stationen inne, um zu beten. Besonders eindrucksvolle Kreuzwege gibt es in Hall in Tirol oder in Maria Waldrast. In manchen Dörfern werden auch Passionsspiele veranstaltet, bei denen die Einheimischen die Kreuzwegstationen nachspielen. Die Andachten sind ein zentraler Bestandteil der religiösen Vorbereitung auf Ostern.
7. Fastenkrippen
Während der Fastenzeit werden in den Tiroler Kirchen besondere Krippen aufgestellt, die nicht wie die Weihnachtskrippen die Geburt Christi darstellen, sondern die Passion und das Leiden Jesu in den Mittelpunkt stellen. Diese so genannten Fastenkrippen sind kunstvoll gestaltete Szenen, die die letzten Tage Jesu - vom Einzug in Jerusalem über die Kreuzigung bis zur Auferstehung - nachzeichnen. Besonders bekannt sind die Fastenkrippen in Götzens oder Absam, wo große, detailreiche Figuren verwendet werden. Diese Darstellungen dienen den Gläubigen zur Besinnung und laden ein, sich intensiv mit der Bedeutung von Ostern auseinanderzusetzen. Viele Fastenkrippen haben sich über Jahrhunderte erhalten und stellen ein wertvolles kulturelles Erbe dar.
8. Ostergräber

In vielen Tiroler Kirchen werden in der Karwoche kunstvoll gestaltete Ostergräber aufgestellt. Diese Darstellungen des Grabes Christi bestehen oft aus Heiligenfiguren, Blumen und Kerzen, die die Grabesruhe symbolisieren. Besonders bekannt ist das Ostergrab in der Stiftskirche Wilten in Innsbruck, das zu den prächtigsten Tirols zählt. Die Gläubigen nutzen diese kunstvollen Inszenierungen für Andachten und Gebete, bevor in der Osternacht die Auferstehung gefeiert wird.
9. Ratschengehen
Da von Gründonnerstag bis zur Osternacht die Kirchenglocken „nach Rom fliegen“, übernehmen Kinder mit hölzernen Ratschen die Aufgabe, die Gläubigen an die Gebetszeiten zu erinnern. In vielen Dörfern ziehen Kindergruppen durch die Straßen und „ratschen“, während sie traditionelle Sprüche aufsagen. Als Dank erhalten sie oft kleine Spenden oder Süßigkeiten. Der Brauch ist vor allem in ländlichen Regionen noch sehr lebendig und fördert den Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft. Seit 2015 ist das Ratschen offiziell "Immaterielles Kulturerbe" der UNESCO.
10. Karfreitagsprozession

Ein Höhepunkt der Fastenzeit sind die feierlichen Karfreitagsprozessionen, die in vielen Tiroler Gemeinden stattfinden. Diese Umzüge stellen das Leiden und Sterben Jesu Christi dar und werden oft mit großen Figuren oder echten Darstellern inszeniert. Besonders eindrucksvoll sind die Karfreitagsprozessionen in Thaur oder Imst, wo hunderte Mitwirkende in historischen Gewändern durch die Straßen ziehen. Begleitet werden die Prozessionen oft von Trauermusik, Gebeten und symbolischen Handlungen wie dem Tragen eines großen Holzkreuzes. Diese Bräuche sind ein wichtiger Bestandteil des Tiroler Kulturlebens und zeigen, wie tief religiöse Traditionen in der Region verwurzelt sind.
Zeit der Bräuche
Osterfest & Fastenzeit
Die Fastenzeit endet mit der der Osternacht, die von Karsamstag auf Ostersonntag gefeiert wird. Beginn der Osternacht ist die Segnung des Osterfeuers: Die Kirchen bleiben dunkel, bis die Osterkerze entzündet wird, die symbolisch das Licht Christi in die Welt trägt. Danach folgt die feierliche Auferstehungsmesse. Am Ostersonntag finden in vielen Gemeinden Prozessionen statt, um die Auferstehung Jesu zu feiern. Kinder, die in der Karwoche mit Ratschen durch die Dörfer gezogen sind, erhalten oft kleine Geschenke und Ostereier als Dankeschön. Nun hat die Osterzeit offiziell begonnen und nach 40 Tagen des Fastens wird im Kreise der Familie gefeiert.

Corinna Ellmer, 38. Als Mama einer 7-jährigen Tochter ist Corinna viel draußen in der Natur unterwegs. Beim Spazierengehen, Wandern und Radfahren findet sie den Ausgleich zur Arbeit am Computer. Neben ihrem Job lebt sie ihre kreative Ader auch gerne bei verschiedensten DIY-Projekten aus und ist dabei immer auf der Suche nach neuen spannenden Ideen.