Über die Freude der ersten Mahd
Egaschtfest

Jedes Jahr an Pfingsten steht Walchsee Kopf. Dann feiern die Einheimischen das Egastfestl. „Es ist das Fest der ersten Mahd. Wir sind immer sehr dankbar, dass wir bei uns eine so gute Vegetation mit genügend Regen haben“, freut sich Hans Knoll. Er ist der Obmann des Tourismusverbandes Kaiserwinkl und durfte in diesem Jahr zum ersten Mal das Fass im Festzelt anstechen. Bevor die Musik in Form der Bundesmusikkapelle Walchsee hereinspielte, richteten sich viele bange Blicke gen Himmel. Dunkle Wolken zogen schon tags zuvor über den Kaiserwinkl und verdeckten die symbolische Krone über dem Wilden und Zahmen Kaiser.
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Mein Herz beginnt zu strahlen, als es etwa zwei Stunden vor dem Festl aufmacht und die Regentropfen sich langsam verabschieden. Schließlich helfen viele Vereine zusammen, um ein solches Fest auf die Beine zu stellen. Das ist in der heutigen Zeit immer schwieriger. Das Wasser hat diese Wiese recht tief werden lassen und so fällt der diesjährige Handwerkermarkt sehr klein aus. „Wir freuen uns dennoch, dass einige gekommen sind. Manche Sachen können im Regen nicht wirklich präsentiert werden“, sagt Thomas Schonwälder, der Geschäftsführer des TVB Kaiserwinkl.

Vor den „Toren“ des Zeltes besuche ich einen Stand mit vielen Hufeisen. Paul kommt aus Matrei und erzählt, dass er früher in einer Bank gearbeitet hat, ehe er den Job hingeworfen hat und nun mit viel Hingabe fürs Detail die Glückbringer schmiedet. Damit führt er die viele Jahrhunderte alte Schmiede weiter, die früher an einer Handelsstraße lag und den Pferden regelmäßig eine neue „Bereifung“ schenkte. Das Hufeisen, ein Zeichen des Glücks, verbindet der Tiroler unter anderem mit den Fortbewegungsmitteln der Moderne. Und so saust ein Motorrad aus dem nach oben offenen Oval heraus. Die flotten Zweiradler können das Glück schon oftmals ganz gut brauchen.
Traktoren aus der Vergangenheit

Das Egastfestl verbindet bierselige Gemütlichkeit mit einem kleinen, aber feinen Rahmenprogramm. Es beginnt stets traditionell mit der Bundesmusikkapelle, die sich als lebendige Sängergemeinschaft entpuppt. Hans Knoll freut sich, weil er das Fassl „Kaiser“ unterm Kaiser nur zweimal mit dem Hammer küssen musste, ehe der Gerstensaft floss und er fragt sich danach, welche Steigerung es beim Anzapfen noch geben kann, nachdem es beim Kasfest deren drei zügige Schläge waren. Der gute alte Fußballerspruch „die Null muss stehen“ wäre im Rahmen einer solchen Tätigkeit eher kontraproduktiv.

Ich gehe nach einer Stärkung wieder hinaus und schau nach den Traktoren. Diesmal steht über 50 alte Pferdestärken bereit, um ihre Runden ums Zelt zu drehen. Da erkenne ich sogar knatternde Helfer aus den 40er-Jahren des letzten Jahrtausends. Damals fielen sie noch klein aus. Später wurden die Gefährte immer größer, schneller. Den alten mechanischen Kollegen konnten die Bauern noch gut zureden oder selbst chirurgisch beikommen. Die modernen Gefährte sind furchteinflößenden, aber technisch sicherlich eher launiger und verstehen auch Streicheleinheiten nicht. Die Gäste jedenfalls haben ihren Spaß und die Kleinen, die oftmals vom Opa auf den Bock gehoben wurden, grinsen übers ganze Gesicht, wenn sie den Beifahrer mimen und gerne auch mal den Freunden am Straßenrand freundlich winken.

Nachmittags und abends spielen zwei Showbands. Draußen gibt´s Kasspatzn, Hendl und ähnliche Köstlichkeiten und Petrus ist beim Trockengang geblieben. Der Liebe Gott liebt halt den Kaiserwinkl, sowohl bei der Arbeit, als auch beim Feiern.

Uli Kaiser, 51, freier Journalist für Sport, Wirtschaft und Kultur, hat in seinem Leben zahlreiche Leistungssportler hautnah begleitet. Er genießt das Leben in der Natur und saugt jede kleine Nuance auf. Schwimmen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking gehören zu seinen sportlichen Betätigungsfeldern. Ansonsten macht er sein Hobby zum Beruf. Er genießt Regionen zu entdecken und zu beschreiben, wie Menschen leben und welche Gedanken sie haben.