Almwanderung mit Kühen
Die Natur des Seins
Uli Kaiser, 51, freier Journalist für Sport, Wirtschaft und Kultur, hat in seinem Leben zahlreiche Leistungssportler hautnah begleitet. Er genießt das Leben in der Natur und saugt jede kleine Nuance auf. Schwimmen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking gehören zu seinen sportlichen Betätigungsfeldern. Ansonsten macht er sein Hobby zum Beruf. Er genießt Regionen zu entdecken und zu beschreiben, wie Menschen leben und welche Gedanken sie haben.
Tags zuvor hat es geregnet. Deshalb ist es auch ziemlich schwül, als wir uns auf den Weg Richtung Edernalm machen. Es geht über die Staffenbrücke. Wir genießen den Ausblick über Kössen. Die Wolken grüßen. Doch, wenn die Sonne durch diese blinzelt, wird es sofort warm. Mein Spezl und ich genießen diesen Tag, der uns gleich mit Almen in Berührung bringt. Die Wege sind gut zu gehen. Wir tauchen gleich zu Beginn in das besondere Klima des Waldes ein. Das frische Grün umgibt uns mit einer wunderbaren frischen Luft. Mein Freund kennt die Almen in- und auswendig, doch sagt er: „Jetzt erst bin ich draufgekommen, welches besonderes Klima der Wald bietet.“
Die Blätter reinigen die Luft und selbst die Schwüle, die wir außerhalb spüren, ist hier kaum wahrnehmbar. Von der Hektik, von der andernorts berichtet wird, ist hier nicht zu spüren. Alle sind entspannt und genießen das wunderbare Wetter. Als wir aus dem Wald treten, drückt es schon gewaltig. So ist der eine oder andere Schluck schon wichtig. Immer wieder drehe ich mich um. Ich sauge die Natur auf und die Verbindung, die ich mir ihr herstellen kann.
Der etwas andere Blick
Wir sind Teil dieser herrlichen Schöpfung. Die Weite des Kaiserwinkls ist nahezu von jedem Eck aus zu erkennen. Ich bin dankbar Teil des Ganzen zu sein und versuche alles bewusster wahrzunehmen. Das wunderbar saftige Grün vermischt sich dem Gelb und Violett der Blumen. Vereinzelt fliegen Bienen herum, um sich ihre Rationen zu holen. Auf eine magische Weise scheint alles etwas ruhiger als noch vor einiger Zeit zu sein.
Ein paar unserer gelb-schwarz gestreiften Freunde bleiben wie ein Helikopter in der Luft stehen. Sie scheinen sich zu mir zu drehen und mich genau zu beobachten: ohne Scheu. Ein paar landen auf mir und erkunden meine Haut. Noch ist diese nur vom Schweiß versalzen, aber nicht von Weißbier geschwängert, was dann eher abends der Fall wäre. Hefe ist schließlich gut für die Haut und wahrscheinlich auch für Bienen, die auch abends mal schauen, was sie an mir so alles entdecken können.
Weiter geht´s. Jetzt kommen wir an den Kälbern vorbei, die es genießen, am Berg herumzusteigen und immer frische Mahlzeiten zu haben. Ich bleibe stehen und ein Jungtier kommt gleich zu mir. Die dicke Zunge begrüßt mich und ich streichle meine neue Freundin. Die findet das cool. Die Chefin zeigt sich genervt und möchte die Kollegin vertreiben, was aber nicht klappt. „Gut so“, denke ich mir und grinse.
Edern- und Ottenalm
Nach gut einer Dreiviertelstunde sind wir an der Edernalm angelangt. Hier machen wir eine kurze Pause, genießen einen Kaffee und ein Soda Zitrone. Die Speisekarte sieht gut aus. Hinter uns sitzt eine lustige Damenrunde, die es sich gutgehen lässt. Der Sekt darf da natürlich nicht fehlen und das „Frühstücksbuffet“, das auf einem langen Brett mitten auf dem Tisch angerichtet ist. Recht haben sie. Die Sonne scheint und die Temperaturen sind sehr angenehm.
Für uns geht´s gemütlich weiter zur Ottenalm. Die nächste Etappe dauert zirka eine halbe Stunde. Die Zeitangaben, die auf den Wegweisern stehen, sind großzügig bemessen. Wieder entdecken wir eine Gruppe Kühe, die die Ruhe weghaben. Sie queren unseren Weg. Nach wie vor sind wir relativ alleine auf dem Weg.
Als wir uns dem nächsten Ziel nähern, bleibt mein Freund am Abzweig nach Walchsee stehen. Er begutachtet die Kletterrouten und findet: „Des ist nix für uns.“ Ich schmunzle und genieße den Ausblick Richtung Rettenschöss/Walchsee. Jetzt nehmen wir unsere erste kleine Stärkung zu uns. Eine Suppe mit Würsteln. Sie schmeckt sehr gut. Die Österreicher sind einfach einen großen Schlag herzhafter unterwegs als die Deutschen. Es ist schön hier. Nach einer kurzen Pause geht´s weiter Richtung Naringalm.
Das Kaisermassiv genießen
Wir gehen das kleine Verbindungsstück Richtung Edernalm zurück und beginnen den Aufstieg zum nächsten Ziel, das auf 1100 Metern Höhe liegt. Jetzt sind wir noch mehr im Wald unterwegs. Das tut richtig gut. Es geht relativ sanft bergauf, sodass auch jeder Ungeübte sehr gut marschieren kann. Der Wald gibt immer wieder schöne Blicke auf die herrlich grüne Natur frei. Nach dem Regen der letzten Tage ist diese satte Landschaft förmlich explodiert. Überall spürst du das Erwachen der Pflanzen. Der Kaiserwinkl ist ohnehin sehr reich an Niederschlag. So kommt es, dass es hier quasi immer grün ist. Auch, wenn auf der bayerischen Seite die Sonne vieles schon etwas ausgedörrt ist. Jetzt ist auch die Luftfeuchtigkeit sehr angenehm.
Wir marschieren flott dahin und nähern uns dem Weg, der eine Querverbindung zur Naringalm darstellt. Jetzt öffnet sich ein noch viel weiterer Blick über das gesamte Tal. Es ist wunderschön. Jetzt geht es noch etwas steiler bergab. Wir kurz vor der Hütte. Die Kühe sind ausgeflogen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut diese doch schweren Tiere auf diesem Gelände unterwegs sind. Es sind Rassen, die speziell fürs Gebirge gezüchtet worden sind. Dadurch sind sie deutlich leichter als die Tiere, die nur im Tal als lebendige Rasenmäher unterwegs sind.
Jetzt genießen wir den Ausblick auf der Naringalm. Vor mir liegt das gesamte Kaisermassiv. Die Wolken geben die Gipfel des Zahmen und des Wilden Kaisers immer mehr frei. Es ist wunderschön. Leider ist es nicht ganz klar, sodass wir nicht so weit blicken können. Als wir uns setzen, stellt uns der Wirt gleich einen Schnaps hin. Ab Juli ist hier immer offen. „Jetzt“, so sagt der Wirt, „habe ich nur offen, weil ein Feiertag ist und das Wetter gut. Sonst würde eh keiner kommen.“ Der Aufstieg lohnt sich. Die Brotzeiten sind reichhaltig. „So muss es doch sein“, findet der Betreiber. Nun beginnt der Abstieg. Es ist etwas steiler, aber auch kein Problem. Ein schöner Wandertag endet nach rund einer Stunde Talwanderung. Es ist eine Tour, die sich wirklich lohnt.