Almenrausch
Die wertvolle Almwirtschaft

Uli Kaiser, 51, freier Journalist für Sport, Wirtschaft und Kultur, hat in seinem Leben zahlreiche Leistungssportler hautnah begleitet. Er genießt das Leben in der Natur und saugt jede kleine Nuance auf. Schwimmen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking gehören zu seinen sportlichen Betätigungsfeldern. Ansonsten macht er sein Hobby zum Beruf. Er genießt Regionen zu entdecken und zu beschreiben, wie Menschen leben und welche Gedanken sie haben.
30 bewirtschaftete Hütten und Almen existieren im Kaiserwinkl. Für jeden Gast ist es ein Genuss, wenn er in der wunderbaren blühenden Natur wandert und schließlich im Rahmen einer deftigen Brotzeit eine Pause einlegt. Auch mir läuft jedes Mal das Wasser im Mund zusammen, wenn ich zum Beispiel eine erfrischende, prickelnde Buttermilch genieße oder den kräftigen Bergkäse esse. An diesem Tag ist allerdings keine bewirtschaftete Alm mein Ziel, sondern eine Hütte, die sinnbildlich für die tolle Arbeit steht, die die Bauern in dieser wunderbaren Bergregion leisten.
Peter Landmanns Hof liegt in Bichlach. Das ist ein Kössener Ortsteil. Rund eine Stunde geht es an diesem Tag bis zur Hütte hinauf. Das Wetter ist eher mittelprächtig und dennoch ist es wunderschön, weil nicht viel los ist. „Hier kommen relativ wenige Leute her, weil wir keine bewirtschaftete Hütte haben“, berichtet Peter. Er kommt jeden Tag zu seinen Kühen und Kälbern, um sie zu melken und nach dem rechten zu schauen. Die Familie produziert die kräftige, traditionell hergestellte Heumilch.

Wo Mensch, Tier und Natur eins sind
Peter öffnet die Türe zur neuen Hütte, die er 2012 fertiggestellt hat. „Wir haben fast alles in Eigenregie erstellt. Wir mussten etwas verändern, weil die Auflagen strenger geworden sind“, meint der 53-jährige. Es ist schon eigenartig, dass in der heutigen Zeit nicht mehr differenziert wird. Landwirte, die keine Massen produzieren, leben mit ihren Tieren und behandeln sie freundlich und fair. Hier, mitten in der reinen Natur, verschmelzen Mensch, Tier und Natur auf eindrückliche Weise. Wir gehen hinüber zum Gipfelkreuz und wagen einen Rundblick. Peter zeigt mir, was alles zu seiner Hütte gehört. Mit einem Strahlen auf den Lippen beugt er sich hinunter ins Gras: „Schau mal, was hier alles wächst. Ist das nicht schön und es schmeckt den Tieren gut.“ Ich erfreue mich an einer bunten Blumenwiese. Alles steht voll im Saft. Das Areal ist sehr gepflegt. Die Landwirte, die sich dieser Form des Broterwerbs verschrieben haben, schauen auf ihre Heimat: „Wenn nicht regelmäßig schaust, dann wächst alles ziemlich schnell zu. Das ist nicht schön. Weiter unten sieht man das ganz gut.“ Mit uns rennt ein noch ganz junger Kater mit. Der hat seinen Spaß. Er läuft vor uns her. Dann saust er vom Gipfelkreuz wie wild nach unten.
Sanfte Pflege der Kulturlandschaft
Peter freut sich über seine vierbeinigen Rasenmäher. Die Kälber sind immer draußen. Die Kühe genießen das Bergleben nachts, weil es ihnen unter der Sonne, die auf rund 1000 Meter doch sehr kräftig zu scheinen vermag, schnell zu heiß wird. Heumilch-Bauern, wie er, tragen viel zum Schutz der wertvollen Kulturlandschaft bei. Der sanfte Umgang mit den Wiesen aller Art, sichert die Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere. Eine Biene hat es sich auf einer Blume gemütlich gemacht. Ich kann sogar etwas näher hingehen. Das stört sie nicht. Sie macht gerade Brotzeit und lässt sich – vielleicht sogar ganz gerne – fotografieren. Das regelmäßige Mähen der Wiesen erzeugt bestes und sehr gesundes Heu für die Tiere. Deshalb bleiben sie auch auf natürliche Weise gesund. Landwirt und Rinder frönen einer perfekten Arbeitsteilung. Peter mäht unten auf dem Hof, die Kühe oben auf der Alm.
Früher war es sehr spartanisch
Die Almwirtschaft hatte von jeher wohl auch sehr praktische Gründe. Frühjahr und Sommer auf dem Berg bedeutete, dass die Bauern unten im Tal Zeit hatten, das Futter für den Winter zuzubereiten. Alleine von dem Heu und Gras der Wiesen im Tal könnten die Tiere übers gesamte Jahr nicht ernährt werden. Leben auf der Alm: was heute dank moderner Technik angenehm ist, gestaltete sich sehr spartanisch. Wir schauen in die alte Hütte und den alten Kuhstall. Das ist alles schon sehr, sehr eng. „Es ist schon interessant, dass alle Tiere hier Platz hatten“, wundert sich auch Peter, als er den doch recht kleinen Stall herzeigt. Früher ging es doch sehr spartanisch zu, was ich beim Blick in die frühere Hütte gut erahnen kann.
Haltbarmachen war Trumpf
Früher gab es auf der Alm viel zu tun. Die Rohmilch musste schnell verarbeitet werden, das sie nur ein oder zwei Tage hält. Dann säuert sie. Das gilt für die frische Heumilch von heute auch noch. Das bedeutet nichts anderes, als das weiße Gold lebt. Deshalb wurde und wird auch zum Teil heute noch viel Käse in luftigen Höhen hergestellt. Peter kühlt die Milch auf der neuen Hütte und fährt sie später ins Tal, wo sie von der Molkerei abgeholt wird. Auch beim Fleisch mussten sich die Almbetreiber früher etwas einfallen lassen. Nur durch das Suren konnte es haltbar gemacht werden. War es kalt genug, wurde es an der Luft getrocknet. Kühlschränke gab es keine. Früher genossen die Bauern auch das sehr durchwachsene Fleisch. Es diente als Energielieferant, weil die Menschen früher körperlich sehr hart arbeiteten. Was früher rein praktischen Zwecken diente, ist heute eine Delikatesse.
